Als Vorprogramm für unser ADFC-Sommerfest am 1. September 2024 hatten wir eine sportlich-lehrreiche Tour zu Bergarbeitersiedlungen angeboten. TourGuide Wolfram Schneider konnte am Treffpunkt in der Siedlung Flöz Dickebank 7 Mitradelnde begrüßen. 

Gleich zu Beginn gab es ein langes Gespräch über den Siedlungsbau in Gelsenkirchen, wer was kennt, welche Erfahrungen es mit dem Bergbau gab und welche Konsequenzen die Privatisierung der Häuser hatten. Flöz Dickebank ist dafür ein wichtiges Beispiel: Seit 1974 gab es hier den ersten Widerstand in Gelsenkirchen gegen den bis dahin üblichen Abriss alter Siedlungen mit anschließendem Neubau hoher Häuser ohne Gärten. Der Kampf war erfolgreich, die Bewohner*innen konnten mit günstigen Mieten bleiben. Es gab lange Sicherheit und den missglückten Versuch einer Genossenschaftsgründung. 2012 verkaufte die Deutsche Annington (früher Veba Immobilen) die Siedlung überraschend an die Häusser Bau GmbH (Bochum) um sie häuserweise zu privatisieren. Denkmalschutz und soziale Begleitung sorgten für den Erhalt des Siedlungsbildes und verhinderten einen dramatischen Austausch der Bewohner*innen.

Weiter in Ückendorf ging es zur Bergbeamtensiedlung Torgauer Straße und der Neuen Kolonie Alma an der Hohenfriedberger Straße. Beide Siedlungen sind architektonisch sorgfältig gestaltet und gut gepflegt. Um die Ecke gebogen ist das Gegenteil bei der Alten Kolonie Alma zu sehen: die Doppelhäuser sind schon lange einzeln privatisiert und die Fassaden mit unterschiedlichen Materialien verkleidet.

Auf ehemaligen Bahntrassen ging es durchs Grüne zur Siedlung in der Erdbrüggenstraße in Sichtweite vom Bergwerk Consolidation. Typische Backsteinhäuser der 1. Siedlungsphase vor 1900 und trotz Privatisierung noch einheitlich erhalten.Weiter auf einer Bahntrasse zur Zoo-Siedlung. Sie wurde mitten im 1. Weltkrieg gebaut und diente zuerst als Lager für russische Kriegsgefangene, die im Bergwerk Graf Bismarck arbeiten mussten. Dann zu den Backsteinhäusern an der Parallelstraße. Früher lagen sie direkt vor dem Tor des Bergwerks, heute gehört das Gelände dem Sozialwerk St. Georg, das vor allem Menschen mit Asssistenzbedarf zu seinen Klient*innen zählt.

An der Glückauf-Kampfbahn vorbei nach Hessler zu den Siedlungen Klapheckenhof und Grawenhof. Die zwischen 1873 und 1886 erbauten Häuser enthalten je 4 Wohnungen auf einem Kreuzgrundriss (je 2 Wohnungen zur Vorder- und Rückseite). 1982 wurden die Wohnungen an die Mieter*innen verkauft. Der Erhalt und das Erscheinungsbild konnten durch Satzungen und intensive Beratungen erhalten werden. Auch 40 Jahre später sind beide Siedlungen immer noch in gutem Zustand.

Auf ungewöhnlichen Überquerungen von Autobahn und Bahn ging es durch Grünzüge und den Revierpark Nienhausen weiter. Und plötzlich stehen wir in einer vergangenen Welt: Am Eichenbusch sehen die Häuser noch wie zur Bauzeit 1873 aus, die Straße ist geschottert, an den Seiten liegen noch die Rinnen für die Küchenabwässer. Die Häuser sind ohne gestalterische Veränderungen modernisiert und ringsum ist alles grün.

Mit dieser Tour konnte die historische Bedeutung und der städtebauliche Wandel der zwischen 1870 und 1920 gebauten Ensembles erlebt werden. Nach rund 27 km trafen wir pünktlich zum Beginn des Sommerfestes am Kulturzentrum Spunk in Ückendorf ein.

Wolfram Schneider, 9. September 2024